Auch 2024 haben wir die zentralen Umwelt- und Sozialkennzahlen aus dem Geschäftsbetrieb deutscher Versicherer erhoben. Diese Daten sind entscheidend, um Fortschritte in Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung sichtbar zu machen und Transparenz für Kunden, Mitarbeitende und andere Stakeholdergruppen zu schaffen. Hierfür sammelten wir im dritten Quartal 2024 mittels eines Fragebogens umfassende Daten für die Geschäftsjahre 2022 und 2023. Die Studie basiert auf freiwilligen Datenmeldungen von 29 Unternehmen sowie auf Informationen aus unseren Ratingprozessen. Wie bereits im Vorjahr lag der Schwerpunkt der Erhebung im sozialen Bereich auf Themen wie Diversität, Arbeitsumfeld und Personalentwicklung, während bei den Umweltdaten Emissionen, Wasserverbrauch, Papierverbrauch sowie Abfallaufkommen betrachtet wurden. Die Analyse der Ergebnisse erfolgte anhand verschiedener statistischer Werte (Minimum, Maximum, Quantile und Mittelwert).
Im Folgenden präsentieren wir die Ergebnisse der Analyse zur Nachhaltigkeitsleistung von 30 Versicherungsunternehmen, wobei dieser Artikel insbesondere auf Papierverbrauch, Diversität und die Erfassung der Scope-3-Emissionen fokussiert.
Analyse des Papierverbrauchs 2022 und 2023
Unsere Auswertung des Papierverbrauchs zeigt signifikante Veränderungen zwischen 2022 und 2023. Der durchschnittliche Verbrauch an Druck- und Kopierpapier sank um 13,89 kg/FTE, was auf eine effizientere Nutzung in vielen Unternehmen hinweist. Der Median, der die mittlere Ausprägung aller Werte angibt, stieg hingegen leicht um 4,39 kg/FTE an. Beim Verbrauch von Briefumschlägen und Versandhüllen blieb das Niveau weitgehend konstant, mit einem leichten Rückgang im oberen Verbrauchsbereich. Besonders auffällig ist der Rückgang im Verbrauch von Hygienepapier, bei dem der Median um 1,55 kg/FTE sank, was möglicherweise auf nachhaltigere Praktiken hinweist.
Besonders auffällig ist der Rückgang beim Verbrauch von Prospekten und Werbematerialien: Der Medianwert sank um 7,23 kg/FTE, während das Maximum leicht anstieg, was auf unterschiedliche Strategien im Einsatz von Werbematerialien hinweist. Der Gesamtpapierverbrauch pro FTE ist insgesamt gesunken, ein positiver Trend für papierärmere Prozesse.
Auch der Anteil an Recyclingpapier hat über alle Parameter hinweg zugenommen, was auf einen stärkeren Fokus auf nachhaltige Materialien hindeutet. Diese Entwicklungen zeigen, dass Unternehmen ihren Papierverbrauch erfolgreich senken, während in bestimmten Bereichen weiterhin Optimierungspotenzial besteht.
Unternehmen, die ihren Papierverbrauch stark reduzieren, senken nicht nur ihre Kosten, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit. Der Trend zu geringerem Papierverbrauch unterstreicht das Engagement vieler Akteure für effizientere und umweltfreundlichere Arbeitsweisen. Haupttreiber sind hier die fortschreitende Digitalisierung, papierlose Büros und digitale Kommunikationsmittel, die den Bedarf an Papier deutlich verringern und die Ressourcenschonung unterstützen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) könnte diesen Trend noch verstärken: Laut dem Alan Turing Institute bietet KI zahlreiche Möglichkeiten, um nachhaltige Praktiken zu fördern. Durch die Automatisierung von Prozessen, optimierte interne Kommunikation und eine bessere Ressourcenplanung tragen KI-Technologien nicht nur zur Effizienzsteigerung und Kosteneffizienz bei, sondern mindern auch den ökologischen Fußabdruck. Besonders im Hinblick auf den Papierverbrauchs könnten digitale Lösungen den Einsatz von Papierdokumenten signifikant reduzieren und so den Umweltbeitrag der Unternehmen stärken.
Fortschritte in der Diversität
Die Förderung von Diversität und Inklusion bleibt für Versicherer ein zentrales Anliegen im sozialen Bereich, besonders bei der Geschlechtervielfalt in Führungspositionen. Unternehmen mit höherem Frauenanteil in der Führung sind nachweislich erfolgreicher und innovativer. Dies bestätigt die Credit Suisse Gender 3000-Studie aus dem Jahr 2019, die zeigt, dass eine höhere Geschlechtervielfalt in Unternehmensführungen mit besserer Kapitalrendite und einer stärkeren ESG-Performance (Environmental, Social, Governance) einhergeht. Daher setzen viele Unternehmen verstärkt auf Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in der Führung, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und ein integratives Arbeitsumfeld zu schaffen. Unsere Auswertung zeigt Fortschritte vor allem in den mittleren Führungsebenen (F2 und F3). Besonders die F3-Ebene sticht hervor, wo der der Frauenanteil im Durchschnitt um 4,5 Prozentpunkte gestiegen ist. In der F1-Ebene bleibt der Frauenanteil stabil, mit einem leichten Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt deuten die Daten darauf hin, dass der Frauenanteil in den mittleren Führungsebenen zunimmt, während in den oberen Führungsetagen noch Handlungsbedarf besteht.
Eine stärkere Repräsentation von Frauen in Führungsrollen führt nachweislich zu besseren unternehmerischen Entscheidungen und einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit. Der Gender Diversity Index 2023 der Boston Consulting Group (BCG) zeigt, dass Diversität im Topmanagement von Organisationen mit besseren Finanzmarktergebnissen und einem aktiveren Engagement für Klimaschutz verknüpft ist. Unternehmen mit gemischten Führungsteams agieren zudem oft klimafreundlicher. (BCG Gender Diversity Index 2023)
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist die kulturelle Diversität. Diese beschreibt die Vielfalt kultureller Hintergründe und Werte innerhalb einer Gesellschaft, die sich in unterschiedlichen Traditionen, Sprachen, Religionen und ethnischen Normen widerspiegelt. Ein inklusives Arbeitsumfeld, das kulturelle Vielfalt wertschätzt, kann die Innovationskraft stärken und die Zufriedenheit sowie das Engagement der Mitarbeitenden steigern. Studien zeigen, dass kulturell diverse Teams kreativer sind und fundiertere Entscheidungen treffen. So belegt eine Analyse von McKinsey (2023), dass Unternehmen, die kulturelle Vielfalt fördern, eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität erreichen. Daher ist es entscheidend, Programme und Maßnahmen zu entwickeln, die kulturelle Vielfalt aktiv unterstützen und für gleiche Chancen und Anerkennung aller Mitarbeitenden sorgen.
Gründe für die teilweise Verschlechterung einzelner Scope-3-Emissionen
Die Erfassung der Scope-3-Emissionen stellt Versicherungsunternehmen zunehmend vor Herausforderungen, da diese Emissionen komplexe und oft schwer zu quantifizierende indirekte Auswirkungen umfassen – etwa durch Lieferketten und Dienstleister. Insbesondere auf Kennzahlenebene zeigt sich, dass die Abdeckung dieser Emissionen häufig lückenhaft, was die Aussagekraft der Berichterstattung beeinträchtigen kann.
Ein Einflussfaktor für die Verschlechterung der Erfassungsbreite der Scope-3-Emissionen bei der Datenerhebung ist der veränderte Teilnehmerkreis. Durch die leicht geänderte Zusammensetzung der teilnehmenden Unternehmen kam es zu Schwankungen in der Datentiefe, was die Vergleichbarkeit erschwert. Die unzureichende Datenqualität könnte dazu führen, dass Wirtschaftsprüfer im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) von Versicherern Verbesserungen einfordern. Im ungünstigsten Fall könnten die Berichte nicht mit einer eingeschränkten Prüfung (Limited Assurance) abgenommen werden, da relevante Emissionsquellen fehlen.
Die Erfassung der Emissionen aus Investitionen zeigt keine Veränderung. Sowohl im Jahr 2022 als auch im Jahr 2023 haben 10 % der Versicherer diesen Posten als Teil ihrer Treibhausgasbilanz angegeben. Emissionen aus den Kapitalanlagen sind jedoch besonders relevant, da sie regelmäßig über 90 % der gesamten Scope-3-Emissionen ausmachen und somit einen erheblichen Einfluss auf die THG-Bilanz haben. Viele Versicherer erfassen bereits die THG-Emissionen ihres Kapitalanlagenportfolios (bzw. aus Teilen davon), rechnen sie aber im Rahmen ihrer Berichterstattung noch nicht ihrer originären Klimabilanz zu, sondern berichten sie an separater Stelle. Da die Investitionen einen Teil der Klimabilanz nach dem Green House Gas Protocol bilden und im Rahmen der ESRS-Standards auch explizit adressiert werden, müssen sie in den CSRD-Berichten regelmäßig an dieser Stelle mitbilanziert werden.
Die CSRD sieht für Unternehmen mit weniger als 750 Mitarbeitenden eine Übergangsregelung vor: Im ersten Jahr der Berichterstattung können diese Unternehmen noch auf die Angabe von Scope-3-Emissionen verzichten. Diese Regelung soll ihnen ermöglichen, die erforderlichen Prozesse und Daten für eine vollständige Berichterstattung aufzubauen.
Für eine detaillierte Auswertung aller Kennzahlen sowie der spezifischen Ergebnisse in den einzelnen Bereichen klicken sie hier.
Herausforderungen und Ausblick
Trotz der Fortschritte bleibt es eine Herausforderung, Nachhaltigkeitsdaten richtig zu erfassen und zu validieren. Eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen und externen Partnern ist nach wie vor entscheidend, um die Datenqualität und -genauigkeit zu gewährleisten. Die Einführung einheitlicher Standards durch die CSRD und die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) bietet jedoch eine solide Grundlage, um diese Hürden zu überwinden und die Nachhaltigkeitsberichterstattung kontinuierlich zu verbessern.
Für Versicherer wird es immer wichtiger, ihre Nachhaltigkeitsleistung genau zu verstehen – nicht nur, um den steigenden Erwartungen von Öffentlichkeit, Kunden und Aufsichtsbehörden gerecht zu werden, sondern auch, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
An dieser Stelle setzt unser Assekurata Nachhaltigkeitsrating an: Es bietet eine umfassende Analyse, die ökologische, soziale und Governance-Aspekte (ESG) in einen ganzheitlichen Kontext stellt. Unternehmen erhalten so eine präzise Einschätzung ihrer Stärken und Verbesserungspotenziale. Damit können sie gezielt Maßnahmen ergreifen, um ihre Nachhaltigkeitsperformance zu verbessern und sich erfolgreich im Markt zu positionieren.
Autorin: Verena Lemesch (Analystin Assekurata Rating-Agentur GmbH)
Der Beitrag Von Papierverbrauch bis Diversität: Nachhaltigkeitskennzahlen deutscher Versicherer unter der Lupe erschien zuerst auf Assekurata.